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Andacht zum Palmsonntag (05.04.2020)

Veröffentlicht am: 04.04.2020, 14:36 Uhr - von: Andreas Nestler

Liebe Brüder, liebe Schwestern,


wenn ein Kind beim Autofahren auf dem Rücksitz sitzt, dann weiß das Kind meistens, wo es hingehen soll. Das Kind weiß: Wir fahren jetzt zu den Großeltern, wir fahren jetzt in den Kindergarten, wir fahren jetzt in den Tierpark oder wo auch immer die Fahrt hinführt. Das Kind kennt das Ziel, aber das Kind kennt (meistens) den Weg dorthin nicht. Wenn das Kind entscheiden müsste, wo abgebogen wird und welche Straße genommen wird, käme eine Irrfahrt dabei heraus. Das Ziel würde nicht erreicht. Das Kind entscheidet aber nicht, sondern es verlässt sich auf Mama oder Papa, die am Steuer sitzen. Es ist sich sicher, dass Mama oder Papa den Weg kennen und es ans Ziel bringen. Es hat ein kindliches Vertrauen auf den, der steuert. Mit einem erwachsenen Beifahrer oder mit einer erwachsenen Beifahrerin hingegen gibt es schnell Diskussionen: Hätten wir nicht abbiegen müssen? Hätten wir nicht da lang gemusst? Das kindliche Vertrauen fehlt ihnen und sie wollen den Weg mitbestimmen.


An diesem Sonntag, dem Palmsonntag, beginnt die Karwoche. Man könnte das übersetzen mit Trauerwoche. Wir denken in dieser Woche an die letzten leidvollen Stationen im irdischen Leben von Jesus. Wir sehen auf den Weg von Jesus und wir sehen, wohin der Weg von Jesus führt. Am Palmsonntag steht die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem im Mittelpunkt. Jesus war unter großem Jubel in Jerusalem eingezogen. Es sah aus wie ein Triumphzug. Die Menge rief Hosianna. Unter anderem bedeckten sie seinen Weg mit Palmzweigen – deswegen der Name des Sonntags. Der Einzug von Jesus erinnert an den Einzug eines Königs. Nur ein Detail passt nicht zu einem König. Jesus reitet auf einem Esel. Das wirkt alles andere als triumphal oder königlich. Dieses Detail deutet an, dass sein weiterer Weg kein Triumphzug sein wird, sondern dass eine schwere Zeit vor Jesus liegt. Jesus tritt, auch wenn es nicht so aussieht, den Weg ans Kreuz an.


Der Wochenspruch zum Palmsonntag heißt:
„Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Johannes 14b+15)
Dieses Wort – Jesus sagt es lange vor seinem Leidensweg – gibt das Ziel für den Weg von Jesus an. Jesus muss erhöht werden. Seine Erhöhung ist das Ziel, auf das Jesus zusteuert. Allerdings gibt es sehr verschiedene Vorstellungen davon, wie der Weg zu diesem Ziel aussieht. Den Jüngern von Jesus dürfte der Weg gefallen haben, den sie nun scheinbar eingeschlagen haben, den Weg des Jubels und den Weg des Triumphs. Auf diesem Weg wären sie gerne geblieben. Aber Jesus biegt ab. Er nimmt einen anderen Weg, den Weg des Leidens und den Weg des Todes.


Die Jünger denken, der Weg zur Erhöhung ist der Weg des Ruhmes und der Macht. Aber Jesus meint eine ganz andere Erhöhung. Er meint die Erhöhung am Kreuz. Hätte Jesus auf seine „Beifahrer“ gehört, wäre er nicht ans Ziel gekommen. Aber dann kämen auch wir Menschen nicht ans Ziel. Denn der Weg von Jesus ans Kreuz ist unser Weg zum Leben. Am Kreuz schafft Jesus die Verbindung zwischen uns und Gott. Am Kreuz verbindet Jesus Himmel und Erde. Am Kreuz hebt er diese Trennungen auf. Seine Erhöhung am Kreuz ist unser Leben.


Und nun liegt es an uns. Gerade in der Karwoche sind wir eingeladen, den Weg mit Jesus mitzugehen. Die aktuelle Bibellese aus dem Markusevangelium nimmt uns diese Woche mit auf diesen Weg. Die Frage an uns lautet: Welche Beifahrer sind wir? Sind wir „erwachsene“ Beifahrer, die ihren eigenen Weg im Sinn haben? Oder sind wir „kindliche“ Beifahrer, die darauf vertrauen, dass Jesus den richtigen Weg zum richtigen Ziel geht? Diese Entscheidung liegt ganz bei uns.


Jesus möchte, dass wir „kindliche“ Beifahrer sind. Es ist gut, wenn wir seinen Wegen vertrauen. Dann führt er uns auch an das richtige Ziel. Wer Jesus vertraut, kommt an. Er selbst verspricht: Alle, die an ihn glauben, werden das ewige Leben haben.


Auch in der aktuellen Zeit wünschen wir uns, dass Jesus einen Triumphzug antritt. Wir wünschen uns, dass Jesus ein Ende mit dem Corona-Virus macht. Wir sind wie Beifahrer, die Jesus dazu drängen, einen anderen Weg einzuschlagen und endlich einzugreifen. Jesus aber scheint uns auf seinem Wege helfen zu wollen. Er stärkt gerade jetzt unser Vertrauen auf ihn. Er eröffnet uns gerade jetzt den Blick auf das ewige Leben. Ja, auch ich bete darum, dass Jesus das Corona-Virus wegnimmt. Aber auch wenn er (zur Zeit) diese Bitte nicht erhört, will ich darauf vertrauen, dass er uns ans gute Ziel bringt. Seine Wege verstehe ich gerade nicht. Aber ich bin mir sicher, es sind gute Wege, weil sie uns zum Leben führen. Das ist meine große Sicherheit in diesen Tagen. In der Karwoche möge diese Sicherheit unter uns noch mehr wachsen.


Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen / Euch eine gesegnete Karwoche voller Besinnung auf das, was Jesus für uns getan hat, und voller Vertrauen auf seine Wege.


Und wie immer gilt am Schluss: Der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.


Ihr / Euer Pfarrer Matti Schlosser


P. S.: Die Andacht wird in den nächsten Tagen wieder im Flur des Pfarrhauses zum Mitnehmen und Weitergeben ausgelegt.